Eine Nacht in Chisinau

Dass der FC Union Berlin und Leverkusen, doch etwas gemeinsam haben, darüber klärte uns Steffi Lamm vom Textilvergehen auf. Heute kristalliert sich heraus, dass das kein Versehen ist, denn Sebastian Fiebrig, ebenfalls Unioner, jubelt und trauert noch am Rande der “zivilisierten” Fußball-Welt mit der Werkself. Damals. Als Bayer noch Champions League spielte.

Damals im Zorro in Chisinau

Nach einer Woche in der unwirklichen Republik Transnistrien fuhren wir mit unserer Seminargruppe in die wirkliche Republik Moldau. Die Suche nach Sportergebnissen in Transnistrien war ein Krampf gewesen. Überall wurden zwar Sportzeitschriften verkauft, doch lag die Tücke darin, eine aktuelle Ausgabe zu finden. Aussichtslos. Und Fernsehübertragungen waren nicht zu bekommen. Trotzdem bekamen wir zugetragen, dass Leverkusen gegen Schalke das Finale des DFB-Pokals verloren hatte. Und auch Dortmund hatte das UEFA-Pokalfinale nicht gewinnen können.

Die moldauische Hauptstadt Chisinau war im Gegensatz zu der Grabesstille in Transnistrien das pure Leben. Die Straßencafés waren voll, die Menschen tranken Bier in den Parks und die Omas sammelten die leeren Flaschen ein. Wo wir denn abends hinwollten, fragten die moldauischen Studenten. „Kann man hier irgendwo Leverkusen gegen Madrid sehen?“ Konnte man. Im Zorro. Ein Teil unserer Gruppe ließ sich von einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft das Nachtleben der Stadt zeigen. Wir hingegen trafen uns vor der Großdiskothek Zorro. Die Piktogramme zeigten auch uns unmißverständlich an, Handfeuerwaffen und Messer nicht mitzunehmen.

In der vollbesetzten Disko erwartete uns eine riesige Leinwand. Die Galerie war ebenfalls voll. Schnell ein Baltika von der Bar geholt und dann ging auch schon das Spiel los. Die Sympathien waren klar verteilt. Real Madrid. Aber vielleicht gab es auf dem Markt von Chisinau auch einfach keine Trikots von Leverkusen. Ich wollte Leverkusen gewinnen sehen. Aber wie? Gerade die Meisterschaft noch an Dortmund abgegeben. Pokalfinale an Schalke verschenkt. Und gegen Madrid sollte es anders sein?

Das Spiel war noch nicht richtig losgegangen und schon führte Madrid. Ach Bayer. Schon wieder nichts. Der Jubel der Moldauer verklang schnell nach dem Ausgleich. Aber was für ein Spiel! Wir schrien und feuerten die Mannschaft an, während jede Aktion von Real überschwenglichen Beifall von der Galerie hervorrief. Die Atmosphäre war aufgeladen. Leverkusen kämpfte nicht einfach nach dem Traumtor von Zidane. Leverkusen spielte mit Madrid. Wir jubelten, als Cesar vom Platz musste und der junge Casillas eingewechselt wurde. „Der kann nichts.“ Mittlerweile war an der Bar das Bier alle. Casillas konnte doch etwas und verhinderte in der Nachspielzeit mehrmals den Ausgleich.

Keineswegs traurig verließen wir das Zorro und holten uns am nächsten Kiosk Bier. Leverkusen hatte den Moldauern in Chisinau gezeigt, dass es hätte gewinnen können. Und wir haben mit der Mannschaft gelitten. Wir haben mit ihr gejubelt. Und wir haben sie nach vorne gebrüllt. So bauen sich Beziehungen zu Fußballvereinen auf. Und wenn mich jemand nach diesem Spiel fragt, so beginnt die Geschichte mit: „Damals im Zorro in Chisinau…“

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