Küchensportpsychologie

Ich komm ja von Haus aus eher von der Sportpsychologie 1, als von der Fußballtaktik. Überhaupt ist in den Zeiten von Taktikblogs die gute alte Psyche der Sportler völlig nebensächlich geworden. Niederlagen werden durch zu weite Abstände zwischen irgendwelchen Verbünden erklärt, die 6er waren zu offensiv und was um Himmels Willen ist eine flache Neun? Sind das die einzigen Gründen für Gegentore, rote Karten und verlorene Punkte?

Nein, nein. Da spielt mehr hinein. So ein Fußballspiel ist ein komplexes Konstrukt. Ein Zusammenspiel von 22 Spielern, 2 Trainern samt Betreuerstab, Ersatzspielern, dem Schiedsrichter mit Linienrichtern, einen vierten Offiziellen gibt es auch noch und die vielen tausend Zuschauer im Stadion sind ja auch noch da. Ein kleines Mosaiksteinchen kann da schon den Unterschied ausmachen.

Mal angenommen, der Balljunge rückt einen Ball nicht an Jens Lehmann raus, dann ist der so genervt, dass der einen Gegentreffer kassiert. Das kann dann schon über Sieg oder Niederlage entscheiden. Klar die flache Neunerbirne hatte vorher den Ball verloren, der 6er war im gegnerischen Strafraum und die Abwehr hat zu viel Platz zum anderen 6er gelassen, aber das ganze ist nun mal ein Zusammenspiel von vielen verschiedenen Faktoren. Taktik ist einer. Psychologie ein anderer.

Beim Spiel Leverkusen gegen Mainz hatte die Psychologie einen ziemlich großen Anteil. Leverkusen war taktisch hervorragend eingestellt und zeigte ein sehr gutes Spiel. Leverkusen belohnte sich mit einem Treffer kurz vor der Halbzeit und führte verdient mit 1:0. Verdient auch, weil man sich ein enormes Chancenplus erarbeitet hatte. 2:0 oder 3:0 hätte es eigentlich stehen müssen und genau da lag das Problem.

Mainz kam mit der ersten richtig guten Chance ins Spiel zurück. Adam Szalai verwandelte mustergültig die erste sich bietene Möglichkeit für die Mainzer. Und genau da fängt es in den Köpfen der Leverkusener Spieler zu rattern an. “Jetzt haben wir so lange gerackert, super gespielt und es steht doch 1:1”. “Unser Aufwand ist enorm hoch, Mainz trifft mit dem ersten Schuss aufs Tor, wie sollen wir denn jetzt noch gewinnen?” “Nochmal so viel Einsatz zeigen wie in den ersten 30 Minuten?” – Können wir nicht, so die Körpersprache der Werkself.

Und Mainz sieht das und macht das Richtige. Weiter spielen, weiter Tore schießen. Beim 1:2 der Gäste fällt dann jedoch wieder der Groschen bei den Leverkusenern. Aufwachen ist angesagt. Mit Erfolg. Am Ende trennen sich Bayer und Mainz 2:2. Taktische Fehler wurden gemacht, aber hätte Leverkusen bereits nach 45 Minuten mit 3:0 geführt, hätten wir ein anderes Spiel gesehen.

Dann hätten wir uns vermutlich darüber unterhalten müssen, warum Bayer es neben der Nationalelf noch schafft, so hohe Führungen zu verspielen. Alles schon gesehen. Erfahrungswerte.

Wie schon im Spiel gegen Stuttgart kann ich persönlich das Positive mitnehmen. Man hat eine klasse Leistung gezeigt, Tore geschossen und war das bessere Team. Die Gegentore wird man auch früher oder später zu verhindern wissen. Das Trainerteam muss vielleicht noch mehr im mentalen Bereich arbeiten, als im taktischen. Den Spielern fehlt noch der Glaube an sich, daran dass man Gegner beherrscht und besiegt. Dass man unbesiegbar ist.

2 Mal konnte man noch zurückkommen nachdem man schon 2:1 zurücklag. Das Wissen, dass man das kann, hat heute geholfen.

 

  1. Ich habe meinen Magister in Sportpsychologie gemacht. Thema: Urteilsverzerrungen bei Eishockeyschiedsrichtern

3 comments » Write a comment

  1. Pingback: Die Blogschau für Montag, den 22.10.2012 | Fokus Fussball

Leave a Reply