Deutscher Meister, Pokalsieger, Weltmeister. Die Liste seiner Erfolge ist beachtlich. Allerdings auch die Anzahl seiner Eskapaden außerhalb des Platzes. Ein Sportlerleben zwischen Genie und Wahnsinn. Nach seinem Rauswurf beim VfB Stuttgart im März wollte Kevin Großkreutz zunächst nichts mehr mit Fußball zu tun haben. Nun bekommt er eine allerletze Chance. Im Trikot von Darmstadt 98 wagt der Skandal-Profi im Sommer am Böllenfalltor einen Neuanfang. Kann das gutgehen?
„Wir haben Kevin gesagt, dass er sich hier als Fußballer wieder neu zeigen kann und der Rest interessiert uns erst mal nicht. Wir gehen davon aus, dass er sich professionell benimmt”, meint Darmstadts Präsident Rüdiger Fritsch. Schließlich habe man ihn auch nicht für den Lilien-Kids-Club verpflichtet, sondern für die rechte Außenbahn. „Ich denke, dass das eine tolle Geschichte wird.“
Wie die Geschichte verläuft, hängt vor allem vom Enfant Terrible himself ab. Die Hotel-Pinkel-Affäre, der Döner-Wurf und zuletzt der nächtliche Rotlicht-Ausflug mit Jugendspielern des VfB Stuttgart inklusive Schlägerei hängen ihm sicher für lange Zeit nach, ebenso ragen jedoch seine sportlichen Qualitäten heraus.
Wahrscheinlich wird er nicht mehr ganz an seine Glanzzeiten bei Borussia Dortmund anknüpfen können, als er in seiner unnachahmlichen Art die Außenbahnen beackert und die Gegner reihenweise abgegrätscht hat. Doch für den designierten Absteiger dürfte er allemal eine Bereicherung sein. Der 28-Jährige ist ein echter Typ, ein Malocher, ein Fighter, ähnlich wie sein zukünftiger Trainer Torsten Frings, der zu seiner aktiven Zeit für seine resolute Spielweise und markigen Sprüche gefürchtet war. Frings und Großkreutz, zwei Typen, alles andere als weichgespült, die aufgrund ihres speziellen Charakters bei den Fans gut ankommen. Das könnte passen.
Frings wollte den Allrounder unbedingt in sein Team holen. „Es war nicht einfach, ihn zu überzeugen. Er wollte ja eigentlich Ruhe haben. Aber ich habe ihn mit Anrufen und Nachrichten bombardiert und konnte ihn davon überzeugen, den Weg, den wir vorhaben, mitzugehen. Darüber bin ich sehr froh.“
Jetzt muss Großkreutz zeigen, dass er weiter für den Fußball brennt, muss wieder die alte Leidenschaft entwickeln, die ihn beim BVB zum Kult-Star gemacht hat. Sicher hat er in seiner Karriere einige Fehler gemacht, vieles hat er aber auch richtig gemacht. Vor allem jedoch hat er stets zu seinen Fehltritten gestanden, sich öffentlich und emotional entschuldigt. Die Chance, sich noch einmal als Profi auf hohem Niveau zu beweisen, hat er verdient.
Sein Vertrag in Darmstadt beginnt am 1. Juli und läuft zwei Jahre. Genügend Zeit noch für eine Denkpause, um dann mit neuer Energie das in ihn gesetzte Vertrauen zurückzuzahlen. Nutzt er seine letzte Chance und sorgt künftig auf statt neben dem Platz für Schlagzeilen, dann wird er sogar sicher bald auch einmal in den Lilien-Kids-Club eingeladen werden.