Als ob der deutsche Fußball keine anderen Probleme hätte, steht mal wieder eine Homosexuellen-Diskussion ins Haus. Die Vorgeschichte: Am Sonntag lief in der ARD ein Tatort aus Hannover. Thema: Homosexualität im deutschen Fußball. Es sei ein offenes Geheimnis, dass die Nationalmannschaft inklusive Betreuerstab homosexuell sei, hatte die Tatort-Kommissarin sinngemäß behauptet – eine Anspielung auf Spielerberater Michael Becker, der letztes Jahr von einer „Schwulencombo“ bei der Nationalelf gesprochen hatte. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Oliver Bierhoff sah die Darstellung im Tatort als einen Angriff auf seine „Familie Nationalelf“.
Schwul oder nicht schwul, das ist immer wieder die Frage im deutschen Fußball. Gibt es homosexuelle Bundesliga- oder gar Nationalspieler? Warum hat sich bislang kaum ein Fußballspieler öffentlich „geoutet“? Ist Homosexualität im Fußball ein Tabu, das es zu durchbrechen gilt?
Dass der Fußball oft versucht, eine heile Welt zu verkaufen, ist nicht neu. Persönliche Probleme von Spielern werden ungern thematisiert – der Fall Enke zeigte das ganz gut. Auch Meinungsfreiheit der Spieler ist bei Vereinen und Verbänden ungern gesehen. Nicht selten hagelt es Vertragsstrafen, wenn sich ein Fußball-Profi allzu offen mit den Medien unterhält. Kein Wunder, dass Homosexualität im Fußball kein Thema ist, das von den Beteiligten gerne diskutiert wird.
Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, Details seines Intimlebens für sich zu behalten. Es geht die Öffentlichkeit schlicht nichts an, ob ein Fußballspieler auf Frauen oder Männer steht, an Depressionen leidet oder heimlich Bayern-Fan ist. In einer Medienwelt, in der jeden Tag zu lesen ist, welche Muskelfaser bei Michael Ballack heute wieder einen nicht ganz so fitten Eindruck macht, scheint sich eine Art Anspruchsdenken etabliert zu haben. Doch einen Anspruch, alle Details über Fußballspieler zu erfahren, gibt es nicht. Und weil die sexuelle Orientierung – anders als eine Muskelfaser – nicht über Sieg oder Niederlage entscheidet, muss es jedem Spieler selbst überlassen bleiben, ob, wann und wie er sich als Homosexuell outet oder nicht.
Keine Frage: Oliver Bierhoff hat sich selbst und dem deutschen Fußball keinen Gefallen getan, indem er Spekulationen über Schwule in der Nationalmannschaft als „Angriff“ bezeichnet, zumal die Formulierung ganz offensichtlich nicht wörtlich gemeint war.
Aber auch umgekehrt führt die Diskussion im luftleeren Raum dazu, dass homosexuelle Fußballspieler enorm unter Druck geraten. Je heftiger die Öffentlichkeit über das „Tabu schwule Fußballspieler“ diskutiert, desto mehr kann sich jeder Spieler auf eine mediale Hetzjagt gefasst machen, sollte er tatsächlich in Erwägung ziehen, sich als schwul zu outen. Die gut gemeinte Thematisierung führt damit zum genauen Gegenteil: Die Diskussion verfestigt das Tabu anstatt es zu brechen.
Wen interessiert es eigentlich, ob derjenige, der die Werkself gerade in die Championsleague geschossen hat, nach dem Spiel seine Freundin oder seinen Freund umarmt? Sollte es nicht einfach egal sein, ob und wer in der Bundesliga schwul oder nicht schwul ist? Oder um es mit Bertis Worten zu sagen: „Das können meine Jungs halten, wie sie wollen. Nur in der Halbzeit, da geht nichts.“
Meedia zur Diskussion über den „Homo-Tatort“
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