In meiner Gefühlswelt geht es derzeit auf und ab. In einer normalen, nicht englischen Woche, ist der Montag, der Tag, der größten Angst. Fassungslos lese ich Berichte über mögliche Titelkandidaten und lese immer wieder den Namen Bayer Leverkusen. Dienstag sitze ich ungläubig da und erschrecke mich erneut vor dem Tabellenstand. Leverkusen = Zweiter. Mittwoch und Donnerstag, wenn die anderen Vereine meist noch irgendwelche lästigen internationalen Aufgaben erfüllen müssen, wird mir langsam warm ums Herz. “Hey – wir spielen gut, warum sollen wir nicht noch Gegner XY schlagen?” Freitags oder Samstags, also am Spieltag, verspüre ich erst eine große Anspannung, die sich nach gut 20 Minuten Spielzeit löst. Spätestens dann, wenn Bayer beginnt zu kombinieren.
Wie auch diesen Freitag. Locker ins Spiel gekommen. Den Ball in den eigenen Reihen laufen lassen, dann über die Flügel Flankenläufe probiert oder sich durch die Mitte gezaubt. Das klappte meist nicht direkt, da es noch an Präzision fehlte, aber in der zweiten Halbzeit wurde der Druck dann erhöht und meine Sorgen wurden immer kleiner. Eigentlich hatte ich diesen Freitag überhaupt keine Sorgen. Zu keinem Zeitpunkt. Irgendwie war ich mir sicher, dass das Ding nicht verloren geht. Und so kam es dann ja auch. Mal wieder.
Schon gegen Köln und Bremen hatte man Geduld gehabt. Relativ sicher verteidigt, immer wieder Vorstöße gewagt, die dann mit gesteigerten Engagement zwangsläufig in der zweiten Hälfte, mal früher, mal später, zum Erfolg führten. Eine geschlossene Mannschaftsleistung ohne Ausfälle, aber mit Glanzlichtern. Rolfes, der wieder einmal gewissenhaft, ideenreich und kämpferisch, die Sechserposition ausfüllte oder Henrique, der in der Defensive Zweikampf um Zweikampf gewann und Grafite alt aussehen ließ und natürlich Barnetta, der allein schon durch sein Tor und seine Vorlage herausstach.
Als Leverkusen-Fan machen solche Spiele jedoch ängstlich. Solche Saisonverläufe machen ängstlich. Alles schon gehabt und dann ganz ganz tief gefallen. Jahrelange Erfahrungswerte. Letzte Saison beispielsweise sah es am 11.Spieltag alles andere als gut aus für Bayer. Mittelfeldplatz. Gruseliger Angsthasenfußball. Kein Vergleich zu dieser Saison. Dann die Offenbarung. Fünf Siege in Folge, ehe man dann eine Klatsche am 17.Spieltag in Bremen verpasst bekam. Dann wieder Schöngeist-Fußball. Dann aber der 25. Spieltag. Erste Champions-League-Ambitionen wurden laut. Ein dritter Platz und nur sechs Punkte hinter den Bayern und jetzt auch noch das direkte Duell gegen die Münchener. Sollte die Liga mit einem Sieg der Werkself etwa nochmal spannend werden? Nein, Bayer verlor und statt Meisterschaft, Champions-League oder UEFA-Pokal gabs am Ende der Saison nur kalten Kaffee.
Warum soll das nicht auch diese Saison passieren, fragt man sich als Skeptiker. Immerhin kommen ja noch die Schalker und die Münchener nach Leverkusen. Da kann man schon mal verlieren und auch die restlichen Partien gegen vermeintliche Abstiegskandidaten sind keine Selbstläufer. Und so schwanke ich ähnlich meiner Wochenform auch in diesem Beitrag zwischen Euphorie und Angst und hoffe inständig, dass bis zum Ende der Hinrunde einfach noch sechs Siege eingefahren werden. Das ist ja auch kein Ding der Unmöglichkeit. Aber auch irgendwie unwahrscheinlich, oder? Ich weiß es nicht.