Am Sonntag steigt ein weiterer Teil der Leverkusener Endspiel-Partien. Nach Hoffenheim, folgt diesen Sonntag (übrigens auch im Live-Blog!) der Hamburger SV, mit dem die Werkself, noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Im Hinspiel in Hamburg spielte man 30 Minuten überragend auf und führte bereits 2:0, ehe Guerrero der Anschluß gelang und Friedrich mit Gelb-Rot vom Platz ging. Bayer verlor dann noch 2:3.
Im Kader steht nach der Gelb-Rot-Sperre wieder Arturo Vidal und darf wohl von Beginn ran, wenn man den einschlägigen Medien Glauben schenken darf. Mittelfeldmotor und Matchwinner des Hoffenheim-Spiels Tranquillo Barnetta ist angeschlagen und absolvierte nicht alle Trainingseinheiten in dieser Woche. Das gleiche Schicksal ereilte auch Renato Augusto, doch dürften beide am Sonntag wieder fit sein.
Als Vorbereitung auf dieses Spiel durfte ich (J) dieser Tage Max (M) von Abenteuer Fußball Rede und Antwort stehen. Herausgekommen ist ein spannendes Gespräch über zwei Mannschaften auf Augenhöhe.
M: Wird Bayer Leverkusen jetzt Meister? Schließlich habt ihr die Hexer aus dem Kraichgau geschlagen, woran sich fast alle vorher die Zähne ausgebissen haben …
J: Leverkusen wird in den nächsten zehn Jahren nicht Meister. Da muss alles Glück dieser Welt zusammen kommen, dass die Werkself mal die Salatschüssel nach Hause holt. Und die Hexer aus dem Kraichgau? Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube die haben ihr Pulver schon in der Hinrunde verschossen.
J: Beim HSV sieht es aber auch gut aus mit der Schale. Was denkst du denn zu dem heiklen Thema. Wann war der HSV das letzte Mal Meister?
M: Naja, die letzte Meisterschaft für den HSV liegt wirklich schon ein paar Tage zurück. So richtig kann ich mich nicht mehr daran erinnern – wird wohl auch damit zu tun haben, dass ich im Jahr 1983 noch nicht geboren war! Die Ausgangsposition momentan ist zwar gut, und der FC Bayern spielt nicht besonders konstant. Aber ich glaube am Ende läuft es wieder auf die Münchener hinaus.
M: Ich muss sagen, ich bin schon beeindruckt, was Bruno Labbadia aus dieser Mannschaft gemacht hat. Dabei war ich durchaus auch angetan von Skibbe. Was macht Labbadia denn anders als sein Vorgänger?
J: Ich glaube der Unterschied liegt vor allem in der Persönlichkeit bzw. einfach in der Person. Fachlich haben beide Trainer sicherlich einiges, bzw. ähnlich viel auf dem Kasten. Doch schauen wir uns die beiden Typen doch mal an. Das ist der Stürmer Labbadia, der schon Titel gewonnen hat, charismatisch, sympathisch mit einer klaren Linie. Auf der anderen Seite ist der Trainingsanzug-Träger, der die Ausstrahlung eines toten Asts hat. Das klingt jetzt gemein, aber ich glaube in bestimmten Situationen erreicht Labbadia die Spieler eher.
J: Und Jol? Was macht ihn so anders als Stevens? Siehst du bei ihm einen Plan für das Team?
M: Martin Jol ist offener als Stevens. Für die Medien umgänglicher – immer wieder mal kommt ein guter Spruch – und auch die Spieler haben wohl eine engere Bindung zum Trainer als zuvor zu Stevens. Anscheinend kann er aus der harmoniebedürftigen HSV-Elf noch ein paar Prozent mehr rauskitzeln. Stark finde ich auch, wie er den kurzfristigen Abgang von van der Vaart überbrückt hat und wie er immer wieder neue Spieler integriert. Da ist noch mehr drin, wenn demnächst mal etwas langfristiger geplant und damit nachhaltiger gearbeitet wird.
M: Möchtest du aus der Bayer-Mannschaft einen Spieler besonders hervorheben, der einen großen Anteil am Erfolg hat? Wenn ja, wer und warum?
J: Es ist leicht Namen, wie zum Beispiel Patrick Helmes, Stefan Kießling, oder Renato Augusto in die Runde zu werfen, aber Fußball ist nun mal ein Mannschaftssport. Das ist das Team immer nur so gut, wie ihr schwächstes Glied. Bayer hat es verstanden über die letzten Jahre einen guten Kader zusammen zu stellen, der passt und der zur Rückrunde definitiv noch mehr Potenzial hat. Kroos, Schneider, Zdebel, Gresko und Sinkiewicz geben der Mannschaft die nötige Tiefe, die vielleicht letzte Saison noch gefehlt hat.
J: Ich finde es erstaunlich wie gut, der HSV ohne van der Vaart auskommt. Wer ersetzt ihn und warum läuft es so gut ohne den Niederländer?
M: Da bin ich auch etwas überrascht! Die Abhängigkeit von Rafael war in den letzten Jahren doch enorm. Aber das ist auch ein Verdienst von Martin Jol. Einen Spielertyp wie den Niederländer gibt es im Kader nicht mehr. Stattdessen tauscht der Trainer immer wieder mal die Offensiv-Formation: Eine Spitze, Zwei Spitzen, Klassischer Zehner, zwei Spielmacher usw. Der HSV ist da erstaunlich flexibel geworden und somit auch ein Stück „geheimnisvoller“. Von den Anlagen ist Trochowski sein Nachfolger, aber er kommt häufig über die Außenbahn und agiert etwas zurückgezogener. Van der Vaart war ja oft fast eine Art zweiter Stürmer.
M: Stört es die Leverkusener eigentlich gar nicht, dass Patrick Helmes eine Kölner Vorgeschichte hat?
J: Ganz im Ernst. Mir sind diese ganzen Fehden eher ziemlich egal. Ich will, dass Bayer gewinnt, ob da nun Ex-Kölner dabei sind, oder Ex-Bayern interessiert mich weniger. Überhaupt wird um die Kölner Folklore-Mannschaft viel zu viel Trara in den Medien gemacht, natürlich bedingt durch Lukas Podolski.
M: Zu René Adler: Als Leipziger habe ich ja auch ein Auge auf ihn – Die Schwester eines Bekannten von mir füttert Adlers Katze, wenn die Familie im Urlaub ist. Sportlich schwächelte er zuletzt. Wurde er vorher zu stark hochgejubelt oder ist das nur eine vorübergehende Schwächephase?
J: Ich glaube, dass er sich wieder fängt. Adler hat unbestritten großes Potenzial, was er über zwei Jahre konstant gezeigt hat. Allerdings denke ich auch, dass ihn die Nominierung für die Nationalmannschaft doch mehr belastet hat, als er zugeben will.
M: Im letzten Jahr hieß die Frage: Neuer oder Adler? Wie sieht deine Präferenz im aktuellen Torwartduell der Nationalmannschaft aus – Adler oder Enke oder Wiese?
J: Ganz schwere Kiste, denn aktuell bekleckern sich alle drei Torhüter nicht gerade mit Ruhm. Wenn sich Adler wieder fängt, ist er für mich die Eins. Trotzdem bin ich aber auch von Wiese beeindruckt, wie der in den letzten Monaten gearbeitet hat. Und für Enke tut es mir leid, dass er sich vor dem Russland-Spiel verletzt hat. Das war seine Chance, die er vielleicht nicht wieder bekommt.
J: Siehst du denn derzeit einen Goalie vorne? Ich glaube ganz Fußballdeutschland verzweifelt gerade an der T-Frage. Und was ist langfristig mit Neuer und Rensing?
M: In der Tat ist eine Entscheidung hier eine sehr schwere Sache. Vor seiner Verletzung war Enke mein Favorit, jetzt muss man abwarten ob er wieder seine Form von letzter Saison erreicht. René Adler ist mir manchmal ein Stückchen zu ruhig. Die Nationalmannschaft hatte zuletzt zehn Jahre exzentrische Typen im Kasten, da würde eigentlich Wiese gut ins Bild passen. Auf lange Sicht sehe ich aber eigentlich Manuel Neuer im Tor. Bei Rensing bin ich mir nicht sicher, ob er sich beim FC Bayern langfristig durchsetzen kann.
M: Nähern wir uns mal dem Spitzenspiel am Sonntag. Mir ist aus der vergangenen Saison noch die Begegnung im UEFA-Pokal im Gedächtnis geblieben. Damals lief es ja nicht ganz so gut für den Hamburger SV. Was spricht denn dafür, dass es dieses mal keine Pleite für Bayer gibt?
J: Drei Dinge. Erstens halte ich Leverkusen für das spielstärkere Team, zweitens muss man in der LTU-Arena den ersten Sieg einfahren, drittens hat man noch eine Rechnung aus der Hinrunde offen. Sorgen macht mir nur die Offensive des HSV, bzw. die Defensive der Werkself.
J: Und was spricht für einen Auswärtssieg des HSV?
M: Mit dem 3:0 am Mittwoch in Nijmegen konnte die gute Form untermauert werden. Der HSV ist eine Mannschaft, die gegen die Konkurrenten aus dem oberen Tabellendrittel richtig stark spielt. Und was wird Bayer am Sonntag leider zu spüren bekommen.
M: HSV und Bayer bewegen sich jetzt schon seit einigen Jahren auf Augenhöhe. Welche Eigenschaften der Hamburger Mannschaft hättest du denn gerne bei Bayer?
J: Eigentlich gibt es nichts, was ich mir von den Hamburgern wünschen würde. Außer vielleicht den Titel „Vizekusen“ oder „ewiger Zweiter“ nicht zu haben.
J: Möchtest du vielleicht irgendetwas von den Leverkusenern in Hamburg sehen?
M: Ich bin mit dem HSV so zufrieden wie er ist. Patrick Helmes würde sich aber sicher auch neben Mladen Petric gut machen…
M: Wo liegen die Vorteile von der Werksmannschaft?
J: Ein gutes Management, was ich dem HSV aber auch nicht absprechen will. Allerdings bin ich doch relativ begeistert vom Masterplan der Verantwortlichen in Leverkusen, den ich beim HSV noch nicht so sehe. Trotzdem Kompliment für Schnäppchen à la Jansen und Petric. Sonst bewegt man sich – wie du schon sagst – auf Augenhöhe.
J: Oder was hältst du von Didi Beiersdorfer und seiner Arbeit? So ganz schlecht scheinen seine Transfers ja nicht zu sein, sonst würde der HSV wohl nicht so weit oben stehen. Und was wird aus dem HSV langfristig?
M: Didi Beiersdorfer ist ein Zauberer. Nicht jeder Verein kommt aus einem Fehleinkauf wie Thiago Neves so gut raus. Dann treibt er immer wieder gute Spieler auf, und dank den Millionen aus Madrid und Manchester hat er auch einigen finanziellen Spielraum. Ich bin gespannt, wie im Sommer der Abgang von Ivica Olic verkraftet wird. Für eine langfristige, nachhaltige Erfolgswirksamkeit seiner Arbeit war es wichtig, dass im Januar die Revolte bei den Aufsichtratswahlen ausgeblieben ist – Auch wenn ich das eh immer nur für einen riesengroßen Luftballon gehalten habe. Mit diesem Management bin ich optimistisch, dass der HSV sein aktuelles Niveau halten kann.
M: Das Spiel findet ja in Düsseldorf statt. Zugegeben – Leverkusen war für mich bisher nicht der Inbegriff einer besonderen Atmosphäre im Stadion. Und die beiden Spiele in der LTU-Arena wirkten auf mich auch eher bizarr. Anscheinend verunsichert das die Mannschaft auch etwas. Oder nicht?
J: Gegen Cottbus waren gefühlte 12.000 Zuschauer da – das erinnerte mich an Ulrich-Haberland-Stadion-Zeiten Ende der 80er Jahre. Gegen Stuttgart war es einiger maßen voll, aber ein Gegentor in der 3.Minute war nicht gerade stimmungsförderlich. Für Leverkusen ist die Kapazität der LTU-Arena einfach zu groß. Und wenn man 15.000 leere Plätze sieht, kommt auch nicht gerade Atmosphäre auf. Ehrlich gesagt, mach ich mir auch etwas Sorgen, ob man denn immer die neue BayArena voll bekommt. Ob das die Mannschaft beeinflusst kann ich nicht sagen, aber ich halte eh nicht so viel vom ominösen Heimvorteil.
M: Warst du eigentlich selber schon einmal in Leverkusen bei einem Heimspiel von Bayer?
J: Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass das einzige Fußballstadion, das ich von innen gesehen habe, das heimische Preußen-Stadion ist. Ich muss auch gestehen, dass ich mir Spiele von Bayer lieber im TV anschaue. Bin da eher ein Heimgucker. Habe ich eigentlich mal vom 2:1-Sieg Preußen Münsters gegen Schalke 04 in der 2.Bundesliga 1990 erzählt? Ganz großes Tennis und ich war dabei.
M: Wohin führt der Weg von Bayer und dem HSV noch in dieser Saison? Ich für meinen Hamburger Teil bin ganz optimistisch, dass es für beide Mannschaften für einen Europapokalplatz reichen wird.
J: Für Leverkusen hoffe ich auch auf den Europapokal-Platz – dem HSV traue ich fast noch ein bisschen mehr zu. Erstaunlich, oder? Auch Hertha BSC traue ich mehr zu.
M: Dann hoffe ich auf ein gutes Spiel am Sonntag und bedanke mich für die aussagekräftigen Antworten!
J: Gern geschehen!!
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