TSG Hoffenheim, Teil 1 (oder Vidal als hyperaktiver Chaot)

“Wir haben heute alles richtig gemacht”, erzählte Tranquillo Barnetta nach dem klaren 5:2 gegen die zuvor gehypeten Hoffenheimer. Aber vielleicht meinte er auch nur sich selbst, denn der Schweizer hatte, nach zuletzt äußerst schwachen Spielen ein fantastisches Match absolviert. Während des Spiels war nicht immer alles nach Plan verlaufen. Nach einer 2:0-Führung hatte man sich ein dummes Gegentor eingefangen. Die Abwehr pennte mal wieder. Nach der 3:1-Führung überließ man gar dem Gegner den gesamten Platz und kassierte erneut den Anschluss. Das ging fast bis zum Schluss so, ehe Barnetta mit einem Sonntagsschuss alles klar machte und Kießling zum Schluss noch mal einschob.

Der Hauptschuldige scheint im Chilenen Vidal gefunden worden zu sein. Der Mittelfeldspieler hatte zunächst eine solide Partie in der ersten Halbzeit gespielt, ehe er seinen Mitspielern Bälle stiebitzte, Fehlpässe produzierte und für heilloses Chaos sorgte.

Denn die Zeit zwischen der 45. und 83. Minute war voller Dinge, die Leverkusen falsch machte. Aus der nach vorne gerichteten Gesamtordnung entwich die nötige Aggressivität. Dazu kamen individuelle Störfaktoren wie Arturo Vidal, der das zuvor enorm starke Mittelfeldspiel seines eigenen Teams regelrecht zerstörte. “Da haben wir sie zum Wanken gebracht”, sagte Rangnick. (FR)

Zumindest so lange nicht, wie Arturo Vidals Konzentration reichte. Nach dem Wechsel präsentierte sich der fleißige Chilene plötzlich als hyperaktiver Chaot: Verlor sichere Bälle, klaute dem eigenen Mann das Spielgerät, riskierte Außenristpässe, wo die einfache Aktion gefragt war. Einer seiner Fehlpässe leitete die Aktion ein, die letztlich zum Elfme­ter führte. “Die erste Halbzeit war ordentlich, was dann kam, darüber müssen wir reden”, so der Bayer­Trainer, der ausdrücklich betont, dass Vidal sein Vertrauen habe: “Wir reden über die Sache, er wird das abstellen. Das kriegen wir sicher hin.” (Kicker)

Trotz allem war es ein gutes Spiel der Werkself, die sich wieder einmal eine zweistelle Anzahl an Chancen erarbeitete, deren Innenverteidiger bei Standards brandgefährlich waren, deren Stürmer nach vorne, wie nach hinten arbeiten, dessen Barnetta endlich aus seiner EM-Lethargie aufgewacht ist und bei der selbst Theofanis Gekas immer wieder sticht, obwohl er nur als Joker gesetzt ist.

Es waren neun Minuten gespielt, da kassierte Hoffenheim den ersten Gegentreffer in der Ersten Liga: Nach einer Freistoß-Flanke des Schweizers Tranquillo Barnetta gewann Karim Haggui, der den verletzten Gonzalo Castro ersetzte, ein Kopfball-Duell gegen Luiz Gustavo und traf ins lange Eck. Nur sechs Minuten später nutzte Leverkusen eine weitere Standardsituation zum 2:0. Nach einer Ecke Barnettas, der sein bestes Spiel seit langer Zeit machte, köpfte Manuel Friedrich den Ball aus fünf Metern über die Linie. Bayer kontrollierte die Partie, war dynamisch in der Offensive, besonders der brasilianische Mittelfeldmann Renato Augusto zeigte einige schöne Dribbel-Einlagen und Ball-Eroberungen. Die Abwehr um Friedrich schien die Hoffenheimer Offensiv-Abteilung im Griff zu haben. (Tagesspiegel)

In einer Partie mit hohem Unterhaltungswert und packenden Szenen in beiden Strafräumen ging Bayer durch einen Haggui-Kopfball nach Flanke von Barnetta schon früh in Führung. Für den Tunesier war es der erste Bundesligatreffer seit dem 16. März. Kurz darauf hatte Nationalstürmer Patrick Helmes (11./16.) gleich zweimal die Chance zum 2:0, das dann aber Friedrich ebenfalls per Kopf und nach Vorlage von Barnetta erzielte. (FAZ)

Zum Schluss noch unser Fußballarbeiter und -Philosoph Marcel Reif zum Thema Hoffenheim+Hype:

Ausgerechnet gegen Bayer, denen sie das schlechte Image eines Retortenklubs abgenommen haben. Und für Romantiker ist das ja wirklich nicht schön, was in Hoffenheim geschieht. Aber es ist trotzdem alles okay, nichts ist illegal, nichts anrüchig, sondern seriös, bislang auch weitsichtig und durchdacht. Sie spielen schönen Fußball, sie haben sich auch gestern in Leverkusen zu keinem Zeitpunkt versteckt oder eingeigelt, wir werden sehen, wie lange der Spaß anhält, wenn die Realität nicht immer fröhlich ist. (Tagesspiegel)

Danke Marcel, dass wir jetzt nicht mehr der Retortenclub sind.

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