Die Vorzeichen könnten nicht eindeutiger sein vor der Partie von Hertha BSC Berlin gegen Bayer Leverkusen. Der Tabellenerste trifft auf den Letzten. Leverkusen seit 15 Spielen ungeschlagen, Hertha überhaupt erst mit einem Sieg. Stefan Kießling schon mit 12 Toren, die Hauptstädter mit ganzen neun Treffern. David, Goliath. Groß, klein. Geld, kein Geld. Trotzdem titelte beispielsweise der Kicker heute auf seiner Onlinepräsenz mit der Frage: “Stolpert Bayer ausgerechnet in Berlin?” und auch in Bloggerkreisen ist man skeptisch, ob Bayer drei Punkte einfährt:
Im Prinzip spräche alles für einen eindeutigen Spielausgang. Woraus das Spiel für mich die Spannung bezieht, ist die Frage wie Bayer Leverkusen mit einem Gegner umgeht, der vielleicht heute abend Beton anrührt. […] Keine Mannschaft hat mehr Unentschieden gespielt wie das bis dato ungeschlagene Bayer. [AAS]
Auch Jupp Heynckes wird von der Berliner Morgenpost gefragt, ob die Ausgangslage nicht einige Gefahren birgt:
Berliner Morgenpost: Herr Heynckes, welcher Gegner heute ist gefährlicher für Bayer: Hertha BSC oder womöglich der Schlendrian in den Köpfen der Spieler?
Jupp Heynckes: Im Fußball sind alle Eventualitäten möglich, wer hätte zum Beispiel gedacht, dass der VfB Stuttgart nach dem Theater der vergangenen Tage am Mittwoch in der Champions League in elf Minuten drei Tore schießt. Ich habe in jungen Jahren von Hennes Weisweiler gelernt, nie einen Gegner zu unterschätzen – das gilt auch jetzt für Hertha.
Da schrillen wohl derzeit alle Alarmglocken bei den Verantwortlichen in Leverkusen, oder? Eine Niederlage in Berlin, dann vielleicht noch ein peinlicher Auftritt im kleinen Derby gegen Gladbach und schon sprechen wieder alle von der alten Schwäche der Werkself und der gute Gesamteindruck der Hinrunde wäre futsch. Das wäre bitter, aber daran glaube ich nicht. Warum? Weil die Mannschaft eine Stärke zeigt, die ich schon fast ein Jahrzehnt nicht mehr in Leverkusen gesehen habe. Selbstbewusstsein, Kritikfähigkeit, Potenzial, taktische Fähigkeiten, Tiefe des Kaders. Alles Punkte, die eigentlich dafür sprechen würden, dass Bayer Richtung Herbstmeisterschaft strebt.
Letzte Woche gab es ein müdes 0:0 in Hannover. Aus den hintersten Ecken unkte es bereits: “Wie letzte Saison”. Doch das Kollektiv arbeitet an einer Verbesserung, einer Lösung für die schwache Leistung in der AWD-Arena. Man guckt sich das Personal an, die Taktik und sonstige Aspekte so eines Spiels und justiert nach. Heute justiert man vermutlich die Aufstellung.
Sinkiewicz aus der Innenverteidigung raus, dafür Reinartz neben Hyypiä im Defensivzentrum. Heynckes erklärte noch vor ein paar Wochen, dass die eigentliche Stärke des jungen Mannes genau auf dieser Position liegt und nicht im defensiven Mittelfeld, wo er seit geraumer Zeit hervorragende Leistungen bringt. Also wird dieser Platz dort vakant und wen haben wir da. Gonzalo Castro. Der erklärte just vor der Saison, dass die 6er-Position seine Schokoladenposition wäre, er aber auch gut Außenverteidiger spielen könnte und bei der Konkurrenz im Verein, würde er dann doch wohl auch den Außenverteidiger mimen. Also Castro neben Vidal.
Da sich das Lazarett auch immer mehr lichtet, darf Michal Kadlec auf der linken Außenverteidiger-Position ran. Schon gegen Hannover brachte die Hereinnahme des Tschechen enormen Schwung auf die linke Seite, die man zuvor vermissen ließ. Also einige wenige Umstellungen, die die Defensive stärken sollen (Reinartz, Castro), aber auch nach vorne etwas bewirken können (Kadlec). Wenn dann Kroos und Barnetta weniger nach hinten arbeiten müssen, wäre auch wieder mehr Platz für kreative, offensive Aktionen der beiden und damit eine Belebung der beiden Stürmer Derdiyok und Kießling. Der Schweizer darf wohl noch weiter bis zur Winterpause zeigen, was in ihm steckt. Allerdings hat der Mann auch noch einiges an Potenzial, speziell was Übersicht und Abschluss angeht.
Noch mal etwas ganz anderes zum Schluss. Labbadia ist weiter ein schwarzes äh rotes Tuch in Leverkusen. Simon Rolfes lobt den aktuellen Trainer, aber auch Michael Skibbe, jedoch wird der Ex-Trainer in einem Bericht der FAZ mit keinem Wort erwähnt.
Heynckes und Leverkusen, das scheint sehr gut zu passen, wie auch Rolfes betont. „Schon Michael Skibbe hat die Entwicklung einzelner Spieler positiv beeinflusst. Ich denke an René Adler, Gonzalo Castro, Stefan Kießling oder auch an mich“, sagte er. „Dass die Qualitäten der Spieler jetzt aber so gut ineinandergreifen und die Mannschaft davon profitiert, dafür ist Jupp Heynckes verantwortlich.“ (FAZ)
Und weil das alles voll schön wird und viele Tore auf der richtigen Seite fallen, gibt es heute Abend ein Liveblog!